Ein ungewöhnliches Umfeld für Skulpturen aus Naturmaterialien © Museo Hermann Hesse Montagnola
Pop-up-Ausstellung
6. – 7. September 2025 · Garage Collina d’Oro, Via Sant'Abbondio 44, Gentilino ♿
Mit der Pop-up-Ausstellung So speaks a Tree – Il bosco in officina verlässt das Museo Hermann Hesse Montagnola die klassischen Museumsräume und betritt neues Terrain: Eine Autowerkstatt wird zum Ort der Begegnung zwischen Kunst, Natur und Menschlichkeit. Dort, wo sonst Motoren, Lack und Räder dominieren, entfaltet sich ein leiser Dialog zwischen zeitgenössischer Kunst und der Sprache der Bäume – inspiriert von Hermann Hesses tiefer Verbundenheit zur Natur.
Den Impuls zum Ausstellungsvorhaben setzte das Werk des 2022 verstorbenen Basler Künstlers Marcel Hürzeler, dessen Skulpturen aus Tessiner Holz die innere Architektur der Materie offenlegen – als würde sie sich selbst erzählen. Seine stille, eindringliche Beziehung zur Natur erinnert in berührender Weise an Hesses eigene Passion für die Bäume. Aus dieser künstlerischen Konstellation entwickelte sich ein vielfältiger Dialog, der weitere Positionen einbezieht: Sandro Pianetti zeigt Skulpturen und Flachreliefs aus im Wald gesammelten Materialien, die durch ungewöhnliche Techniken neu interpretiert werden und deren ursprüngliche Kraft neu erfahrbar machen. Geschnitzte Holzmöbel als Symbol toter Natur und ein lokales Seegras aus Patagonien als Sinnbild lebender Natur sind die Hauptfiguren in Valentina Pinis Film, der anhand der Holzproduktion schweizerischer Eingewanderter in Chiles Wäldern Mitte des 19. Jahrhundert die menschliche Abhängigkeit von Natur und zugleich deren Ausbeutung beleuchtet. Roberto Mucchiut stellt die Bewegung und Wahrnehmung der Materie ins Zentrum seiner Video-Installationen. Sie erforschen feine, mitunter kaum wahrnehmbare Formen des Austauschs zwischen Mensch und Pflanzenwelt. Flavia Arzeni führt uns an den Punkt, an dem organische Materie in ihre letzte Phase eintritt: den Tod – der zugleich den Anfang eines Prozesses vielfältiger Metamorphosen markiert. Und Yann Gross richtet seinen fotografischen Blick auf das Zusammenleben der Bäume selbst – auf jene, die nicht mehr heimisch sind und dennoch Wurzeln schlagen. Seine grossformatige Arbeit zeigt Tessiner Wälder, durchsetzt von Zierpalmen, die aus Gärten entwichen sind und sich unmerklich in die lokale Vegetation einschreiben – stille Zeugen eines ökologischen Wandels, der ebenso poetisch wie verstörend wirkt.
Im intensiven Kontrast zum industriellen Raum – durchdrungen von menschlicher Präsenz, Mobilität und ständigem Wandel – fordern uns die Kunstwerke auf, innezuhalten und zu lauschen: Was will uns die Natur sagen, wenn wir aufhören zu sprechen und beginnen zuzuhören?
Kuratiert von: Marcel Henry & Fiona Geuss
Vernissage: Freitag, 5. September 2025, 17.00 Uhr, mit Apéro
Öffnungszeiten: Sa – So, 10.30 – 17.30 Uhr
Eintritt frei, freiwillige Spende
Führungen mit den Künstler:innen:
Sa, 11.00 Uhr – mit Valentina Pini
So, 16.00 Uhr – mit Sandro Pianetti
BIO
Flavia Arzeni ist Universitätsdozentin, Essayistin und visuelle Künstlerin. Seit vielen Jahren widmet sie ihre Forschung dem Verhältnis zwischen Literatur, Philosophie und visuellen Ausdrucksformen. In den letzten Jahren hat sie sich intensiv mit der Natur – insbesondere mit Bäumen – auseinandergesetzt, in Zeichnungen, Gedichten, Fotografien und Installationen. Inspiriert wurde sie dabei von ihren Studien zu Goethe und Hesse sowie von der buddhistischen Lehre, der zufolge das gesamte Universum eine einzige, grosse, miteinander verbundene Einheit bildet.
Yann Gross (*1981) hat an der ÉCAL in Lausanne studiert und arbeitet zwischen Europa und Südamerika. Seine künstlerische Praxis, die Fotografie, Video und Installation vereint, erforscht, wie der Mensch seine Identität durch Bilder formt und seine Umgebung verändert. Er arbeitet mit verschiedenen lokalen Gemeinschaften weltweit zusammen und behandelt Themen rund um die Komplexität unseres Verhältnisses zur natürlichen Welt. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Luma Rencontres Dummy Book Award, ein Fulbright-Stipendium sowie der Descubrimientos-Preis von Photo España. Seine Werke werden international ausgestellt und erscheinen in Medien wie National Geographic, The Guardian und Die Zeit Magazin.
Marcel Hürzeler (1952–2022) wurde in Basel geboren. Nach Aufenthalten in Südamerika zog er nach Berlin, wo er in den 1980er-Jahren Mitbesitzer und Koch von Lucky’s Pizzeria in Berlin-Schöneberg sowie dem Lavandevil in Berlin-Charlottenburg war. Anfang der 1990er-Jahre kehrte er in die Schweiz zurück und arbeitete über 20 Jahre als Gärtner im Tessin. Seit den frühen 2000er-Jahren begann er, während seiner Arbeit in den Tessiner Wäldern, Holzstücke zu sammeln, aus denen er seine Skulpturen schnitzte. Marcel Hürzeler verstarb 2022 in Chur.
Roberto Mucchiut (*1960) lebt und arbeitet in Agra. Er ist ein multimedialer und digitaler Künstler mit Ausbildungen in Informatik, Fotografie, Video, Musik und Sounddesign. Sein Interesse gilt der fotografischen Sprache, elektroakustischer Musik, Video- und Medienkunst sowie den neuen Technologien und deren Beziehung zu Mensch, Gesellschaft, Natur und Wissenschaft. Seine künstlerische Forschung befasst sich mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit und bewegt sich zwischen analoger und digitaler Welt, zwischen unvorhersehbaren Prozessen und der Improvisation als Veredelung der Zeit. Er arbeitet mit anderen Künstler:innen, insbesondere im performativen Bereich für Theater-, Tanz- und Musikprojekte, und entwickelt sowie präsentiert eigene fotografische und multimediale Arbeiten.
Sandro Pianetti (*1987), bildender Künstler, lebt und arbeitet in Locarno. In seinen skulpturalen und installativen Arbeiten, die vorwiegend mit organischen Materialien geschaffen werden, untersucht er die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Dabei zeigt er ein besonderes Interesse für generative und transformatorische Prozesse, sowohl in Bezug auf natürliche als auch auf künstliche Materialien. Seit 2017 ist er Teil des Kunstraums Sonnenstube (Lugano) und der Markus Zohner Arts Company als Interaktionsdesigner. Als Künstler stellte er unter anderem aus bei: La Regionale, Lugano (2023); Espace libre, Biel (2022); Spazio Officina, Chiasso (2022 und 2019); Residenza La Fornace (2018); Oficina Cero, Buenos Aires (2019); Spiegleray, Zürich (2018); La Rada, Locarno (2018); Sonnenstube, Lugano (2017).
Valentina Pini (*1982) studierte an der HEAD in Genf, an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und schloss ihren MA (Sculpture) am Royal College of Art in London ab. Zuletzt realisierte sie Ausstellungen im Museo Vincenzo Vela in Ligornetto, bei ArteSOAZZA sowie in Peking mit der Schau So Far, So Close. Ihre Arbeiten wurden bei den Swiss Arts Awards 2024 gezeigt und im selben Jahr erhielt sie einen Preis der UBS-Kulturstiftung. Pinis künstlerische Praxis kreist um die Wahrnehmung von Materie und setzt sich mit unserem Verständnis von materieller Realität und der Vergänglichkeit der Dinge auseinander.