Externe Führung und Lesung
Samstag, 21. Oktober 2023, 16.00 Uhr · Monte Verità, Ascona
Auch 2023 wird Hesse-Liebhaber:innen und anderen Interessierten eine wichtige Tessiner Kulturinstitution vorgestellt. In diesem Jahr ist das Museo Hermann Hesse Montagnola zu Gast auf dem Monte Verità oberhalb von Ascona, um dem Publikum ein einzigartiges Erlebnis zu bieten.
Hermann Hesse reiste im April 1907 zum ersten Mal in das Tessin, um auf dem Monte Verità bei Ascona eine knapp vierwöchige Kur zu absolvieren. Seine Erfahrungen hielt er kurz darauf in der tragisch-komischen Aufzeichnung In den Felsen. Notizen eines Naturmenschen fest. Es fällt nicht schwer, sich den Protagonisten vorzustellen, wie er in einer spartanischen Licht-Luft-Hütte die alternative, asketische Lebensweise der Aussteigerkolonie ausprobierte.
Er schrieb: Im ganzen blieb ich sieben Tage ohne Essen. Während dieser Zeit schälte und erneuerte sich meine Haut, ich gewöhnte mich an Nacktsein, hartes Liegen, an Sonnenhitze und kalten Nachtwind. Während ich zu erliegen glaubte, wurde ich fest und zäh [...]. Die Nächte brachte ich bald in der Hütte, bald draußen in der Nähe des Wassers zu. Oft schlummerte ich stundenlang, bis der Durst mich weckte. Oft lag ich stundenlang bei halbem Bewußtsein, sah Licht und Schatten wechseln und hörte die kleinen Geräusche der Einöde, ohne ihrer zu achten und mir über das, was ich sah und hörte, Rechenschaft zu geben. Manchmal schien es mir, als müsse ich erstarren, Wurzeln schlagen und in ein pflanzliches oder mineralisches Dasein zurücksinken.
Später kam Hermann Hesse mehrmals auf seine Erlebnisse auf dem Monte Verità zurück und schilderte sie in eher desillusioniertem und satirischem Tonfall. In der Erzählung Doktor Knölges Ende beschrieb er das Leben in der Kolonie distanzierter und bezeugte, dass er mit der Zeit einen gewissen Abstand von alternativen Lebensformen genommen hatte. Tatsächlich kommt in diesen späteren Texten ein Gefühl der Herablassung, aber auch der Selbstironie gegenüber der vegetarischen Kultur und der Alternativgesellschaft zum Ausdruck, wie sie in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf dem Monte Verità praktiziert wurde.
Bei dieser Veranstaltung, welche das Museo Hermann Hesse Montagnola in Kooperation mit dem Monte Verità veranstaltet, werden Prosaauszüge und Briefe, die Hesse an Freunde und Korrespondenten schrieb, vorgetragen und erläutert.
Bei schönem Wetter findet die Veranstaltung als Wanderlesung statt. Treffpunkt ist die Rezeption des Hotel Bauhaus. Bei Regen findet die Lesung in der Sala Balint statt. Zum Abschluss offeriert der Monte Verità einen Aperitif.
Es lesen: Heike Möhlen (deutsch) und Margherita Saltamacchia (italienisch)
Eintritt frei: Prinzip «Pay What You Want».
Die Anmeldung ist obligatorisch (bis 18.9), indem Sie an info@hessemontagnola.ch schreiben oder sich online registrieren:
BIOGRAFIEN
Margherita Saltamacchia, Schauspielerin und Regisseurin. Sie gründete die Theatergruppe LaTâche21, mit der sie Theatershows und Podcasts produziert und inszeniert. Minotauro und Frankenstein, autoritratto d’autrice (Audio-Podcast) gehören zu den ersten Produktionen von LaTâche21. Sie schloss ihr Studium der Theaterdramaturgie an der Universität Mailand ab. Seit 2017 wirkt sie regelmässig an den Produktionen des Teatro Sociale in Bellinzona mit, bei denen sie unter anderem Il fondo del sacco, Il dolore, Frankenstein, autoritratto d‘autrice und Mein Fritz, il mio Leo inszenierte und aufführte. Sie ist Schauspielerin in den Produktionen Dopo la prova, Olocene und L'epidemia. Sie spricht in zahlreichen Kultursendungen des RSI (Rete Due) und ist die Stimme zahlreicher Werbespots. Zudem arbeitet sie als Synchronsprecherin und macht Aufnahmen für Hörbücher. Sie war Regieassistentin von Sergio Ferrentino und Andrea Chiodi. Im Kino ist sie Schauspielerin in einigen RSI-Produktionen.
Heike Möhlen ist eine deutsche Schauspielerin und Ärztin, die seit vielen Jahren im Tessin lebt. Sie schloss 2004 ihr Studium an der Scuola Teatro Dimitri ab und studierte im Anschluss Gesang am Conservatorio della Svizzera Italiana. Sie hat als freischaffende Schauspielerin in verschiedenen Theater- und Musikproduktionen mitgewirkt, unter anderem beim Origen Festival. Sie hat auch einen medizinischen Hintergrund mit Erfahrung in der Kinderheilkunde, Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychotherapie, wobei sie sich auf die Therapie von Säuglingen und Kleinkindern spezialisiert hat. Derzeit arbeitet sie als Assistenzärztin in der Erwachsenenpsychiatrie und für den Masterstudiengang Medizin an der Universität Lugano: als Trainerin für Arzt-Patienten-Kommunikation. Ihre Leidenschaften sind das Tanzen, die Friedenserziehung und die Rechte der Kinder. Aber vor allem liebt sie die Natur sowie Gedanken und Worte über Freiheit. Sie ist, wie Hermann Hesse, auf der Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens und der menschlichen Seele.